Fragen und Antworten.

Frage: Produced by Conny Plank war auf vielen Plattencovern der 70er und 80er Jahre zu lesen, auf Platten von Kraftwerk, Neu!, La Düsseldorf, Michael Rother, Ash Ra Tempel, Brian Eno, Can, Ultravox, DAF, Devo, Eurythmics. Conny Plank hat 1981/82 auch das Stahlnetz-Album „Wir sind glücklich“ produziert. Wie lief das?

JR: Entspannt. Es war eine Zeit des Aufbruchs. Wir dachten, das pompöse Gitarren- und Keyboard-Gepose ist erledigt im Pop. Und die deutsche Sprache kommt endlich durch. War ein Irrtum.

DC: Conny Plank hat vor allem eine entspannte Atmosphäre geschaffen, er hat nie kritisiert, sondern motiviert. Er verstand sich als Unterstützer von Musikern, nicht als Lehrer, auch wenn er fast zwanzig Jahre älter war.

JR: Dieser Bauernhof in der Einöde hinter Siegburg war außerdem sehr lässig. Keine Hightech-Farm, sondern sehr bodenständig. Nachmittags gab´s ein gutes Essen. 

DC: Wir waren Autodidakten, keine Musiker, die jeden Style rauf und runter spielen konnten. Conny fand das gut, dass wir immer am Limit waren. Das gilt ja auch für andere Musiker dieser Phase. Er war selber ein großer Improvisator. Er hat ja auf einigen Tracks mitgespielt. Immer ganz schräges Zeug. Wir haben jedenfalls viel gelacht. 

FRAGE: Was blieb davon?

JR: Der Hang zum Minimalismus. Das gefiel uns irgendwie, das Reduzierte. Wenn wir davon abgewichen sind, wurde es immer mies. Spur um Spur aufnehmen, hier noch Hall, da ein Echo, eine dritte, vierte Stimme, und am Ende klingt es wie alles und nichts und man hat keinen Bock mehr auf den Song. Überproduziert.

DC: Conny sprach vom Moment der Unschuld. Es ging im guten Teil der neuen deutschen Welle um Authentizität. Eine Idee schnell umsetzen, nicht lange nachdenken, spielen, aufnehmen, mischen, fertig.

JR: Dann kamen die Schlageronkels, die im Gegensatz zu uns keine Autodidakten waren, sondern ihre Instrumente beherrschten und dann auf naiv machten. Damit war die ursprüngliche Idee von New Wave und auch der ersten neuen deutschen Welle mit DAF, Fehlfarben und anderen erledigt. Das Publikum verlor das Interesse, weil es die Unaufrichtigkeit spürte, das war es. 

Frage: Ihr galtet als Minimalisten.

DC: Ja, dass wir so lange Pausen gemacht haben, ist ja auch eine Form von Minimalismus… Wir haben über die Jahre immer mal wieder was Neues versucht, aber zufrieden waren wir damit nie so recht. Vielleicht waren wir auch zu selbstkritisch, keine Ahnung. Einmal abgesehen von den beiden Alben, die wir mit Udo Lindenberg und der Stimme des toten Dichters Jörg Fauser aufgenommen haben: Die sind ganz gut gelungen, glaube ich. Das sind Hybriden, ein Mix aus Sprache und Musik. 

FRAGE: Welche Idee steht hinter Music for Smartphones?

JR: Zuerst mal immer noch Minimalismus. Das kann sich in der Musik ausdrücken, ein Drum, eine Sequenz, eine Stimme, viel Luft und Platz. Oder in einer gewissen Naivität, die ja aus den Songs unseres ersten Albums herausklingt. Fanden wir nicht so spannend, das zu wiederholen. Det hat sich dann an eine Platte von den Residents erinnert. Commercial Album. Da waren zig sehr kurze Songs drauf, überwiegend Schrammelgitarren. Ich habe die aber nie zu Ende gehört, war nicht meine Musik. Aber die Idee, sehr viele, sehr kurze Songs zu machen, hat uns inspiriert: Und dann kamen eben noch die Texte hinzu, kurze, plakative Aussagen, manchmal nur ein Wort. Beginne; Tagein-Tagaus; Warum denn nicht? Geh ans andere Ende; Du bist ein Erfinder und so weiter. Das hörte sich zuerst alles sehr seltsam an, aber mit der Zeit bekam es eine gewisse Normalität. Eine Normalität im Exotischen sozusagen.

FRAGE: Wie lief der Produktionsprozess?

DC: Auch ein einminütiger Track braucht eine Dramaturgie, eine Spannung, eine Beziehung zum Text. Manche Tracks sind eher sphärisch, Piano, ein sparsamer Groove, aber es gibt auch wuchtigere Songs, zum Beispiel Hol mich heim, das klingt eher monumental. Ein Monumentalwerk in 60 Sekunden.

JR: Wir haben versucht, auch bei der Produktion minimal zu bleiben. In einer gewissen Phase lautete das Motto: Jeden Abend ein neuer Track. Das schafft einen gewissen Druck, sich nicht zu verzetteln, sondern Dinge abzuschließen. 

FRAGE: Music for Smartphones. Möchte man als Musiker nicht lieber in einem Konzertsaal oder auf einer guten Anlage gehört werden?

DC: Alle scrollen durch nur noch durch die Timelines. Wenn man sich anschaut, wie lange Leute auf Youtube Videos anschauen oder auf Spotify Tracks anhören, dann sind das Sekunden. So gesehen haben wir die Chance, dass von unseren Tracks mehr gehört wird als von einem normalen Song. 

FRAGE: Und die Stimme?

JR: Wir wollten eine Stimme haben, die immer zur Verfügung steht. Da blieb nur eine virtuelle Stimme. Wir nennen sie Marta. Marta ist sehr kooperativ, man muss sie nur anklicken und ihr die Texte aufschreiben und schon spricht sie. Sie hat sehr viele Ausdrucksmöglichkeiten, wir haben sie dann auch noch zum Singen gebracht. Das wird in der Zukunft häufig passieren, dass in der Popmusik künstliche Stimmen eingesetzt werden, vermutlich so, dass man sie überhaupt nicht von lebenden Menschen unterscheiden kann.

FRAGE: Zu jedem Track gibt es ein Video. Ein riesiger Aufwand.

DC: Eigentlich nicht. Wir haben Freunde und Bekannte gefragt, uns Videos zu schicken. Eine Minute in die Kamera schauen. Und es sollte möglichst nicht nach Homeoffice aussehen, davon haben wir in der Pandemie schon genug. Mehr nicht. Ich finde, die Kürze und Schnelligkeit der Tracks kontrastiert auf eine interessante Weise mit der Langsamkeit der Videos. Eine Einstellung, kein Schnitt, oft auf Zeitlupe heruntergedreht. Man fängt an, in den Gesichtern zu lesen und genau diesen Effekt wollten wir haben.

Frage: Ist an eine Live-Performance gedacht?

JR: Spass hätten wir schon daran. Wir werden das ausprobieren, ob das geht. Mit den Videos und den rasch wechselnden Tracks. Marta wird nicht mitkommen können, sie muss im Computer bleiben. Dafür müssen wir uns etwas einfallen lassen. Vielleicht wird Martha von einer echten Sängerin interpretiert. Das wäre konsequent, wenn der Mensch die Maschine performt.  

FRAGE: 50 Tracks á 1 Minute. Das klingt auf jeden Fall spooky.

DC: Ist es ja auch. Wenn ich das Album durchhöre, bin ich immer wieder verblüfft, dass dieser oder jene Track um die Ecke kommt. Man kann ja unmöglich 50 Songtitel im Kopf behalten.

JR: Es ist ja immer ein bisschen spinnert, da hinzugehen, wo sonst keiner ist. Da, wo wir jetzt sind, nach 40 Jahren, die wir zusammen Musik machen, ergibt es einfach keinen Sinn, so klingen zu wollen wie Andere, Jüngere. Oder wie man selber mal geklungen hat, als man jung war. Da sieht man sich schon eher nach einem eigenen Biotop um. Und das haben wir gefunden.